Im selben Boot für Regionalentwicklung und Naturschutz

Es ist ein sonniger Dienstagvormittag mitten im August, einige Besucherinnen lesen interessiert die Schautafeln im Naturparkhaus Flusslandschaft Peenetal und Frank Götz-Schlingmann freut sich sichtlich über die Ankunft der internationalen Gäste, die eben den Schotterweg zum reetgedeckten Besucherzentrum hinaufkommen. Der Mittfünfziger ist das, was man klassischen einen „Netzwerker“ nennt: Er vermittelt zwischen Interessensgruppen, bringt unterschiedliche Akteure an einen Tisch und versucht, Anstrengungen verschiedener Seiten zu bündeln. Und er ist Nature Guide: Hier an der Peene, dem „Amazonas des Nordens“, nimmt er Gäste mit einem umweltfreundlichen Solar-Katamaran mit auf Biber-Safari.

Eingeladen hat er heute, so betont er zwinkernd, „damit endlich mal alle im gleichen Boot sitzen.“ Alle, das sind in diesem Fall Vertreter*innen verschiedenster Akteure, die unterschiedliche Ideen und Visionen mitbringen für den Naturpark und die umliegende Region. Rob Stoneman ist den weiten Weg aus York in England hergekommen, er ist im Auftrag der europaweiten Initiative „Rewilding Europe“ für die Renaturierung mehrerer Naturlandschaften in Europa zuständig. Eine davon ist die Region Oder-Delta, zu der neben dem Stettiner Haff eben auch Peenetal und Anklamer Stadtbruch gehören. Ihn begleitet Peter Torkler, sein regionales Pendant gewissermaßen. Fünf Jahre lang hat er geschäftsführend die Ostseestiftung geleitet und mit aufgebaut, nun ist er hauptamtlich für „Rewilding Oder Delta“ tätig. Hier an der Peene treffen die beiden auf Menschen, die lokal die Interessen von Naturschutz und wirtschaftlicher Entwicklung unter einen Hut bringen müssen: Frank Hennicke, Leiter des Naturparkes Flusslandschaft Peenetal, sowie Birgit Flore, Inhaberin des erfolgreichen Wellness-Hotels Gutshof Liepen im Nachbarort. Und natürlich Günther Hoffmann, der sich zunehmend zum überregional bekannten Botschafter der Region entwickelt: Als Naturführer führt er längst nicht mehr nur Touristen durch Peenetal und Stadtbruch, sondern mittlerweile auch Fernsehteams von ZDF und Co. Seine zunehmende Bekanntheit verdankt er auch der Fotografie – als ehrenamtlicher Naturschutzwart des Anklamer Stadtbruchs, einem weitläufigen und artenreichen Feuchtgebiet, fängt er die Stimmungen und kleinen Wunder der Naturlandschaft mit der Kamera ein und teilt sie über soziale Medien mit der Welt.

Peter Torkler, Rob Stoneman und Frank Hennicke erörtern gemeinsam die Entwicklung des Naturparks Flusslandschaft Peenetal

Gute Netzwerke als Mittel gegen Nutzungskonflikte

„Region und Naturpark“, betont Naturparkleiter Hennicke kurz darauf im lichtdurchfluteten Seminarraum des Besucherzentrums, „haben sich im Hinblick auf Besucherzahlen beeindruckend entwickelt.“ So habe sich die Zahl der jährlichen Gäste von rund 40.000 im Jahr 2014 innerhalb von fünf Jahren fast verdoppelt. Theoretisch würde der Naturpark auch bis zu 120.000 Besucher*innen vertragen, man könne da Vergleiche zum Nationalpark Unteres Odertal ziehen. Naturführer Günther Hoffmann sieht das etwas kritischer, wichtig sei vor allem, wie sich die Gäste in der Region bewegten und welchen Aktivitäten sie nachgingen. Den boomenden Markt der Hausboot-Vermietung sowie die großen Flusskreuzfahrtschiffe sehen er und Frank Götz-Schlingmann in diesem Kontext sehr kritisch. „Wir haben hier eine absurde Situation“, erklärt Götz-Schlingmann, „die Peene selbst ist eine Bundeswasserstraße, der Naturpark beginnt erst am Ufer auf beiden Seiten. Wer stellt aber sicher, dass die Hausboot-Touristen sich vom Ufer auch wirklich fernhalten?“

Rob Stoneman kennt diese Nutzungskonflikte aus anderen Regionen in Europa. Dennoch ist er überzeugt davon, dass der Naturschutz vom Naturtourismus profitieren kann: „Wenn zum Beispiel durch Naturtourismus im Umfeld von Wildnisgebieten Arbeitsplätze und Umsatz entstehen, dann ist die Bereitschaft zum Schutz dieser Gebiete natürlich sehr viel höher.“ Gute Netzwerke und eine ständige Kommunikation der unterschiedlichen Interessengruppe seien daher unerlässlich, vor allem auch über Regionen- und Landesgrenzen hinweg.

Günther Hoffmann bestätigt, dass es etwa ein wachsendes Interesse polnischer Tourist*innen an der Region gebe, viele davon seien auf dem Fahrrad unterwegs. „Hier sollten wir uns zum Beispiel darum bemühen, dass in Zukunft Hinweistafeln und Informationen auch mehrsprachig verfügbar sind.“ Der Austausch mit aktiven Nature Guides im Nachbarland bekommt für den erfahrenen Naturführer dabei mehr und mehr Priorität. Daher sind er und Götz-Schlingmann auch beide Teil des South Baltic Nature Guide Network. Verantwortungsvolle Gästeführung, darin sind sie sich einig, sei ein wichtiges Instrument auf dem Weg zu einem sanften Naturtourismus, von dem Menschen und Natur der Region gleichermaßen profitieren.

Als es im Anschluss an das Vernetzungstreffen mit dem lautlos dahingleitenden Solarboot über die Peene geht, wird beides noch einmal deutlich: Welch großes Potential für naturtouristische Erlebnisangebote in dieser einzigartigen Landschaft liegt, aber eben auch, wie sensibel mit ihr umgegangen werden muss. Treffen wie dieses zeigen: Es ist möglich, wirtschaftliche Regionalentwicklung und Naturschutz zu bündeln.

Sensibles Ökosystem und touristische Attraktion: im Peenetal eine nicht unmögliche Balance

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